Ich bin vor zwei Jahren zu den Piraten gekommen.
Weil ich mich ohnmächtig fühle, nur als Wähler diesen Staat mit zu gestalten. Weil nicht um gute Lösungen, sondern um Macht, um die 51% gerungen wird. Und weil mich das ritualisierte Abstimmungsgehabe im Bundestag anwidert. Genauso anwidert, wie der Filz. Jeden Tag neuer Filz, und bei der nächsten Wahl ist schon wieder alles völlig wurscht.
Und weil mich erschreckt, wie in der Konsequenz die soziale Schere aufgeht. In Deutschland, in Europa und in der Welt. Und wie dies Neid und Hass nährt. Und wie es den Regierenden sonstwo vorbeigeht. Wie sie es schönfärben und Ressentiments bedienen. Und wie sie statt ernsthafter Arbeit an den Ursachen lieber in mehr Polizei- und Überwachungstechnik investieren.
Ich hatte das Glück, in Freiheit und sozialer Ruhe aufzuwachsen. Und ich möchte, dass meine Enkel dies auch dürfen. Ich möchte, dass sie unbelauscht ihre Meinung sagen können, und dass sie keine Straßenkämpfe erleben müssen. Einfach angstfrei aufwachsen. So wie ich. Das ist nicht zuviel verlangt. Aber es ist auch keine Selbstverständlichkeit.
Und, so verrückt es ist, ich setze dabei auf die Piraten.
Denn die Piraten stellen dem eine positive Zukunftsvision entgegen.
Die Vision eines Staates, der sich als Dienstleister der Gesellschaft versteht, die ihn trägt. In aller Konsequenz. Einer Konsequenz, die ich keinem Piraten erklären muss. Aber sehr, sehr vielen anderen. Menschen, für die Transparenz, Unschuldsvermutung und Privatsphäre abstrakt geworden sind.
Und die Vision einer Gesellschaft, die einen Staat trägt und gestaltet. In der Minderheitenmeinungen als Bereicherung empfunden werden, und nicht niedergestimmt. Und in dem jeder Mensch sich nach seinen Wünschen und Möglichkeiten entfalten kann. Auch das muss ich keinem Piraten erklären, aber sehr, sehr vielen anderen Menschen, die sich vor der wachsenden sozialen Kälte in Besitzstandswahrung, Sozialneid und Abgrenzung geflüchtet haben.
Aber die Piraten bringen die Kraft dieser Vision leider noch nicht auf die Straße. Denn sonst wären wir gewählt worden. Richtig fett gewählt worden. Aber wir sind leider nicht gewählt worden. Und jetzt nach der Wahl wird geschaut werden, warum dies so ist. Das überlasse ich gerne anderen. Denn viel spannender und viel wichtiger ist die Frage, wie wir es besser machen können. Und dazu habe ich eine Wunschliste, die kurz aussieht, aber in Wirklichkeit ganz lang ist:
Ich wünsche mir dezentrale Strukturen, die das Versprechen der Mitmachpartei einlösen. Strukturen, die nicht kanalisieren, sondern fließen lassen. Strukturen, die einhegen, was sie beschädigen will. Die Macht ist stark in uns. Aber: Was wir uns vom Staat wünschen, das müssen wir erst einmal selbst auf die Reihe kriegen.
Ich wünsche mir, dass jedes einzelne Pirat von unserer Vision getrieben wird und nicht von persönlichen Eitelkeiten. Uns darf nicht länger jede Kleinigkeit genug sein, um uns darüber zu entzweien. Denn uns verbindet etwas Größeres. Wir fordern einen respektvollen Umgang in der Gesellschaft? Leben wir ihn vor!
Und wenn wir das schaffen, dann muss ich mir nicht mehr wünschen, dass die Menschen da draußen, außerhalb unserer Filterblase, uns zuhören. Denn wenn wir unsere Visionen, Selbstbestimmung und Respekt, glaubwürdig verkörpern, dann kommen sie zu uns. Und wollen wissen, wie das geht. Ganz von selbst.
Es sieht also so aus, dass ich was will von dieser Partei. Und ich werde meinen Teil dazu tun, um es ins Werden zu setzen.